Tobias D. Kern trifft Rosa Frank
Tobias:
Rosa, wir treffen uns zum Gespräch in Deiner wunderbaren Atelierwohnung auf Gut Horbell im Kölner Westen und ich möchte Dich als erstes fragen: Du hast in Wien Kunst studiert. Wie war Dein Weg in die Fotografie?
Rosa:
Düsseldorf, wo ich aufgewachsen bin, war in den 70/80iger Jahren mit seiner künstlerischen Tradition und der Kunstakademie ein spannender Platz. Vor allem auch durch Joseph Beuys und die ansässigen Künstler:innen. Auch das Tanztheater von Pina Bausch und das Theater überhaupt waren für mich prägend. Ich bin dann nach Wien gegangen um bei Arnulf Rainer zu studieren. Anfangs habe ich mich mit mit Zeichnung, Kollage und plastischen Vorstellungen auseinander gesetzt und bin dann über die Arbeit mit Fotogrammen zur Fotografie gekommen. Mich haben Menschen in ihrem Umfeld immer interessiert. Das nahe Portrait und die Figur im Raum - die Bewegung. In der Straßenbahn von Oberkassel Richtung Düsseldorfer Hauptbahnhof lernte ich den Choreografen Raimund Hoghe kennen. Mit ihm habe ich über 30 Jahre bis zu seinem Tod gearbeitet und sein Werk fotografisch begleitet.
Tobias:
Wie kann man sich Deine Zusammenarbeit mit Raimund Hoghe, der zunächst als Dramaturg bei Pina Bausch gewirkt hatte, vorstellen?
Rosa:
Es war eine künstlerische Beziehung. Meine Fotografie mit Raimund Hoghe würde ich als das Begleiten eines schöpferischen Prozesses charakterisieren. Hoghe trat ja mit seinem besonderen Körper selbst auch auf der Bühne in Erscheinung und musste so den Blick aus dem Zuschauerraum abgeben. Er hat sich bei mir gewissermaßen “zwei künstlerische Augen geliehen”. Meine Fotografien hatten für ihn die Bedeutung eines konzentrierten, verdichteten Blicks auf seine eigenen Tanzstücke. Der Austausch mit ihm über meine Fotografien war uns beiden sehr wichtig. Ich wurde als Fotografin Teil seiner Tanzkompanie.
Tobias:
Für mich, der noch nie mit Tanztheater-Fotografie in Berührung gekommen ist, klingt es wie ein künstlerischer vermutlich herausfordernder und auch anstrengender Prozess, der weit über die Schaffung von PR-Fotos von Inszenierungen hinausgegangen ist. In über 30 Jahren ist da ja ein richtiges, vermutlich auch kulturell, wichtiges Werk entstanden. Man kann nur wünschen, dass eine Institution, ein Archiv Dein Werk übernimmt, dauerhaft sichert und in Publikationen und Ausstellungen zugänglich macht. Siehst Du hier Möglichkeiten und Chancen?
Rosa:
Ich habe das Glück, dass mein Bildarchiv bereits als Vorlass in das Deutsche Tanzarchiv aufgenommen wurde.
Tobias:
Gerne möchte ich noch etwas über den anderen Schwerpunkt Deiner Arbeit erfahren. Auf Deiner Homepage steht in rot “Markante Portraits”. Ich finde, Du beschreibst da Deine Portraits von Künstlerinnen und Künstlern aus Tanz und Musik sehr treffend. Irgendwie strahlen diese Portraits eine besondere Aura aus.
Rosa:
Wenn ich mit der Kamera schöpferischen Menschen gegenüberstehe und in einen Dialog trete bin ich inspiriert. Ich forsche mit größtmöglicher Offenheit im Blick. Es ergibt sich ein Austausch, ein Zusammenspiel - ein gemeinsames Gestalten. Markant wirkt so als vielseitiger Begriff. Ich fotografiere taktisch, intuitiv und arbeite auf einen Zustand der Selbstvergessenheit hin. Auf diese Momente, in denen etwas aus sich selbst heraus entsteht, reagiere ich am stärksten. So subjektiv dies auch erscheint, bedeutet es für mich etwas Objektives. Es ist für mich ein Anzeichen dafür, etwas Wahres getroffen zu haben.
Tobias:
Danke Dir sehr herzlich Rosa für den Einblick in Deine Arbeit. Ich wünsche Dir zunächst viel Erfolg bei Deinem neuen Foto-Projekt über die Erinnerung des Körpers, zusammen mit der Tänzerin Ornella Balestra in Turin.