Angela Graumann unterhält sich mit Kai Funck
Angela Graumann: Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Kai Funck: Mein Vater war gelernter Fotograf und hat an der Münchner Fotoschule eine handwerkliche Ausbildung gemacht. Er hat eine Zeit lang als Geselle gearbeitet, aber in den 50er-Jahren war ihm die Selbstständigkeit zu unsicher. Deswegen ist er in die Fotoindustrie gewechselt und hat bei Kodak gearbeitet. So bin ich in Stuttgart geboren worden. Er war immer begeisterter Fotograf und hat mir schon als Kind seine Leica in die Hand gedrückt. Seit meiner Schulzeit bin ich der gewesen, der immer mit der Kamera rumlief – ich bin irgendwie von klein auf Fotograf.
Angela Graumann: Wie bist du auf das Thema deines Projektes gekommen? Was hat dich dahin geführt?
Kai Funck: Ich fotografiere schon länger für die Cellitinnen, unter anderem für das St. Vinzenz Hospital – du warst da ja auch schon. Letztes Jahr gab es ein Sponsorenfest zur Unterstützung der Palliativstation, und ich wurde gefragt, ob ich dort pro bono fotografieren möchte. Das habe ich gemacht. Der Abend war sehr eindrucksvoll – es ging um das Motto: Das Leben und das Sterben feiern. Ich habe den Chefarzt der Palliativstation kennengelernt und spontan kam mir die Idee, dass man mehr darüber wissen sollte. Ich habe ihn direkt gefragt, und er war sofort begeistert. So kam es zu dem Projekt.
Angela Graumann: Wie gehst du sonst an freie Projekte ran? Machst du öfter freie Arbeiten? Reizt dich das mehr als Auftragsfotografie?
Kai Funck: Ich mache tatsächlich lieber Aufträge. Bei freien Projekten bin ich etwas faul – oder sagen wir: Ich habe einfach zu viel um die Ohren. Wenn ich aber freie Projekte mache, gehe ich sehr strukturiert vor. Ich denke viel nach, plane genau – manchmal so sehr, dass nichts daraus wird.
Angela Graumann: Was genau hat dich besonders gereizt und berührt an diesem Projekt, das du jetzt ausstellst?
Kai Funck: Sonst fotografiere ich PR-Bilder – Hochglanz, perfekte Welt. Auf der Palliativstation ist das ganz anders. Da ist klar: Hier wird nichts mehr gut. Es geht darum, Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Die Atmosphäre ist ganz anders, die Menschen sind anders. Das hat mich sehr fasziniert.
Angela Graumann: Was wünschst du dir, was der Betrachter von den Bildern mitnimmt?
Kai Funck: Eine Patientin sagte sinngemäß: Man wird sich bewusster, dass das Leben endlich ist. Der Tod gehört zum Leben. Man kann nichts aufschieben. Was man tun will, sollte man jetzt tun – es kann morgen vorbei sein.
Angela Graumann: Was ist dir als besonderer Moment im Gedächtnis geblieben, während du das Projekt gemacht hast?
Kai Funck: Eine Patientin mit unheilbarem Lungenkrebs wollte nach dem Porträt nicht zurück ins Zimmer, sondern auf die Terrasse – um eine zu rauchen. Ich habe sie im Rollstuhl dorthin gebracht.
Angela Graumann: Hattest du ein Konzept bei der Umsetzung oder hast du eher aus dem Bauch heraus gearbeitet?
Kai Funck: Ich hatte alles bis ins letzte Detail geplant – Skizzen, Lichtaufbau, Hintergrund. Ich brauche diese Vorbereitung, um mich sicher zu fühlen. Die eigentliche Fotografie entsteht dann spontan – in der Begegnung.
Angela Graumann: Hat dich das Projekt persönlich verändert?
Kai Funck: Nicht nur das Projekt. Ich bin jetzt 61 und in den letzten Jahren ist der Tod ständig präsent: Meine Mutter, Freunde, Schwiegervater – im Monatstakt. Es hat mich sehr beschäftigt. Beeindruckend war auch, wie professionell die Mitarbeitenden dort mit dem Tod umgehen – und wie wichtig Mitmenschlichkeit ist. Allein zu sterben ist das Schlimmste.
Angela Graumann: Gibt es noch etwas, das du dem Betrachter mit auf den Weg geben möchtest?
Kai Funck: Man sollte über das eigene Leben und Sterben nachdenken – so schwer das auch ist. Ich weiß, wovon ich spreche. Aber es ist besser, vorbereitet zu sein.