Kai Funck trifft Angela Graumann
Kai Funck: Angela, wann und wie hast du deine Liebe zur Fotografie entdeckt?
Angela Graumann: Mein Interesse an der Fotografie begann bereits in meiner Kindheit. Mein Vater besaß eine Spiegelreflexkamera, die für ihn etwas ganz Besonderes war – für mich als Kind war sie unerreichbar, aber faszinierend. Als ich schließlich auszog, habe ich mir meine erste eigene Kamera gekauft, eine analoge Nikon F2, und begonnen zu fotografieren. Zunächst war es ein Hobby. Später konnte ich bei einem Fotografen in München praktische Einblicke sammeln. Nach meinem Umzug nach Köln habe ich mich an der Fotoakademie für ein Studium entschieden. Auslöser war ein Geschenk eines Freundes aus München: eine leere Mappe mit den Worten „Wie du sie füllst, ist deine Entscheidung.“ Diese Geste hat mich tief berührt und motiviert, den künstlerischen Weg ernsthaft zu verfolgen. Zuvor hatte ich eine Ausbildung als Schriftsetzer gemacht und Druckereitechnik studiert.
Kai Funck: Welche Motive oder Themen sprechen dich besonders an – und warum?
Angela Graumann: Menschen. Ich fotografiere am liebsten Menschen – im direkten Kontakt und nicht im Vorübergehen. Mir ist wichtig, dass eine Verbindung entsteht. Ich möchte keine künstlich inszenierten Momente, sondern echte, authentische Begegnungen. Wenn jemand nach dem Shooting sagt: „So habe ich mich noch nie gesehen“, ist das für mich ein sehr schönes Feedback. Ich freue mich, wenn meine Bilder Menschen in ihrer Echtheit zeigen – ganz ohne aufgesetzte Posen oder erzwungenes Lächeln.
Kai Funck: Wie entwickelst du Ideen für deine Projekte? Ist das eher intuitiv oder bist du da ganz strukturiert?
Angela Graumann: Meine Arbeit basiert stark auf Intuition. Ich verlasse mich auf mein Gespür für Menschen und Situationen. Daraus entwickeln sich oft die besten Ideen.
Kai Funck: Wie würdest du deinen fotografischen Stil beschreiben?
Angela Graumann: Authentisch, direkt, unverstellt. Ich arbeite eher nicht konzeptionell – es geht mir um Nähe und Echtheit.
Kai Funck: Was macht für dich ein gelungenes Bild aus?
Angela Graumann: Ein gutes Bild ist für mich eines, das den Betrachter zum Innehalten bringt – das etwas auslöst oder im Gedächtnis bleibt. Die Wirkung von Bildern ist immer individuell, aber wenn sie etwas in Bewegung bringen, sind sie gelungen.
Kai Funck: Wie hat sich deine Fotografie im Lauf der Zeit verändert?
Angela Graumann: Ich fotografiere seit 2012, also noch nicht „ewig“, aber mit viel Leidenschaft. Ich bin sicherer geworden – in dem, was ich sehe und wie ich es umsetze. In der analogen Zeit, habe ich ausgelöst, ohne groß zu überlegen, wieviel Filme ich verbrauche. Digital versuche ich, gezielt zu arbeiten, und nicht einfach „draufzuhalten“. Ich nehme mir Zeit, beobachte, und entscheide dann bewusst, wann ich den Auslöser betätige. Ich versuche wieder mehr zurückzugehen.
Kai Funck: Gibt es bestimmte Projekte oder Momente, die dich besonders geprägt haben? Fotografisch oder irgend etwas, was dein Leben, auch dein fotografisches Leben, bestimmt hat, wo du gemerkt hast, hier hat sich irgend etwas verändert?
Angela Graumann: Ja, auf jeden Fall. Einer dieser Wendepunkte war die Entscheidung, noch einmal zwei Jahre an der Fotoakademie zu studieren. Ich war mir damals nicht sicher, ob das wirklich mein Weg wird – aber es war der richtige Schritt. Ein weiteres prägendes Projekt war die Zusammenarbeit mit einer Trauerbegleiterin. Das hat meine Haltung zum Thema Tod grundlegend verändert. Früher wusste ich oft nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn jemand gestorben ist. Heute habe ich ein anderes, ruhigeres Verständnis davon. Ich gehe viel bewusster und mitfühlender mit solchen Situationen um – und das beeinflusst auch meine Arbeit.
Kai Funck: Und gab es mal ein Feedback, das dich besonders bewegt hat?
Angela Graumann: Es kam öfter vor, dass Menschen gesagt haben, dass ich gut die Seele einfange im Bild. Dass ich ein stiller Fotograf bin, den man nicht wahrnimmt, und dass das in der Situationen sehr angenehm ist. Ich gucke immer, dass ich nicht groß auffalle. Es sei denn, ich habe eine Interaktion mit der Person selber, wenn ich sie fotografiere.
Kai Funck: Welches deiner Fotos hat für dich eine besondere Bedeutung und warum?
Angela Graumann: Es gibt einige Bilder. Eines der ersten Bilder, das ich mit meiner Leica M10 aufgenommen habe, zeigt eine einfache Lampe – durch das Licht bekommt sie fast etwas Magisches. Ein anderes Bild entstand auf der Fifth Avenue in New York: Eine Familie war bei einem Brand ums Leben gekommen, fünf Leichenwagen fuhren nebeneinander. Die Szene wurde von Reportern begleitet – das war ein Moment, der mich tief bewegt hat. Es war das erste Mal, dass ich fotografisch mit dem Thema Tod konfrontiert war, obwohl ich persönlich nicht betroffen war. Dieses Bild begleitet mich bis heute.