Ute Schmidt im Gespräch mit Markus Bollen
Ute: Lieber Markus, ich habe mich gefreut, dass wir zwei uns kennenlernen dürfen. Dass ich dich nun interviewen darf, ist für mich eine große Ehre, weil du in meinen Augen super Bilder machst mit deinen Panoramaaufnahmen. Sie gefallen mir sehr gut, sie sind außergewöhnlich!
Markus: Vielen Dank für den ganzen Honig. Den sammle ich jetzt auf, und er kommt zu dem ganzen Honig in meinem Honigkeller, wo der Honig von meinen Bienen steht.
Ute: Ich habe mich natürlich über dich im Internet informiert, habe erfahren, dass du Imker bist und dass du dich auch politisch engagierst. Das fand ich alles hochinteressant. Aber nun zu meinen Fragen:
Ute: Wie kam es denn, dass du im Panoramaformat fotografierst?
Markus: Ehrlich gesagt war ich auf einer Reise und habe einmal eine Linhof 6x17 probiert. Die hatte ein festes Objektiv, 90mm. Sehr robuste Kamera. Die habe ich tatsächlich erst vor einem Jahr weiterverkauft.
Panorama hat in meinen Augen den Vorteil, dass es eigentlich ziemlich genau das Bild ist, das der Mensch mit seinen beiden Augen sieht. Aber der Mensch sieht immer nur einen Teil scharf. Der Effekt ist nachher bei den Bildern, dass man an den Bildern vorbeigeht, alles ist scharf und immer wieder entdeckt man etwas Neues. Das finde ich schön! Der große Vorteil ist auch, nach dem Scan bekommst du Datensätze von 21000 mal 7000 Pixel. Ich kann also sehr große Bilder machen und bei dem Abzug kann ich immer noch jedes kleinste Detail sehen.
Ute: Du scannst selbst ein?
Markus: Ich lasse es ehrlich gesagt machen.
Ute: Wenn du die Negative einscannen lässt, machst du dann noch etwas daran?
Markus: Ich lass das Negativ im 16-Bit-Farbraum einscannen. Wenn ich die Datei zurückbekomme, bin ich erst einmal 2 oder 3 Tage mit Ausflecken beschäftigt. Dass Staub mit eingescannt wird, lässt sich leider nie ganz vermeiden. Diese Arbeit hat aber tatsächlich den Vorteil, dass ich mich sehr in das Bild vertiefen muss.
Ute: Gehen wir noch einmal kurz zurück zur Aufnahme. Du überlegst wahrscheinlich vorher, ob sich das Bild lohnt.
Markus: Ja, ob es das Motiv wert ist: „Ist das ein Motiv, dass sich jemand in 3m Größe an die Wand hängen kann und es den Betrachtern auch nach Jahren noch etwas gibt?“ Wenn ich dann später das Bild ausarbeite, überlege ich das auch: „Ist es das Bild wert, dass ich so viel Zeit reinstecke?“. Jetzt gehen wir davon aus, dass ich das Bild wert finde, dann kommt der nächste Schritt. Ein Testausdruck auf Papier. Ich drucke die Fotos selbst aus. Ich nutze dazu ein Büttenpapier. Ich drucke die Tests also aus, hänge sie mir an die Wand und gucke sie eine Zeit lang an. Da kommt dann dieses Riesen-Thema Colormanagement rein. Ich mache das jetzt seit 20 Jahren, und es ist für mich immer noch ein Buch mit sieben Siegeln.
Ute: Ich glaube, da haben alle Fotografen immer wieder Probleme.
Markus: (Er stöhnt) Colormanagement ist echt ein hartes Thema. Ich habe alles kalibriert: Drucker, Monitor auch meine Digital-Kameras. Also, dass es wirklich genau wie auf dem Monitor hinkommt …? Irgendwann musst du aufhören und sagen „So ist das jetzt“.
Ute: Was zeigst du in dieser Ausstellung?
Markus: Ich habe einen See fotografiert. Die Oberfläche ist voll mit Pollen. Der Fachbegriff dafür ist Notfruktifikation. Das bedeutet: Wenn Bäume in Stress kommen, weil sie merken, der Klimawandel gibt mir jetzt vielleicht noch 1 oder 2 Jahre eine Chance mich weiter zu vererben, dass sie dann extrem viele Pollen und Früchte produzieren. Man sieht das auch im Wald, dass Nadelbäume viele Zapfen haben, oder 2024 ist eine riesige Eichelmast. Das Ding ist einfach, es gibt so viele Sachen, die wir nicht verstehen. Da sehen wir so einen See mit weißem Staub drauf und denken uns nichts Böses.
Aber im Prinzip sind das alles Zeichen, die wir deuten müssen. 2017 kam die Krefelder Studie raus, mit der Erkenntnis, dass wir in den letzten 30 Jahren 80% unserer Insektenmasse verloren haben. In München fallen Schwalben vom Himmel, die nicht mehr über die Alpen kommen, weil sie nicht genug gefressen haben. Sie haben keine Fettschicht. Das sind alles so Probleme, wo ich sage: „Leute, wir müssen mal aufwachen!“
Ute: Das finde ich sehr gut, dass du aufrütteln willst. Das ist ja auch so ein bisschen deine politische Ambition.
Markus: Ja, nach dieser Studie haben wir als Imker überlegt wie wir das den Menschen vermitteln können und haben regionales Saatgut für die Wildbienen verteilt.
(Markus Bollen erzählt im Interview nun lange über das sehr wichtige Thema Y Florenverfälschung, also wenn Saatgut beispielsweise aus Bayern in Nordrheinwestfalen ausgesät wird und somit in der Genetik nicht zu den gebietsheimischen Pflanzenarten passt. Hier entsteht das Risiko einer genetischen Strukturveränderung.)
Markus: Über diese Aktion bin ich zur Politik, zu den Grünen, gekommen, als ich angesprochen wurde, ob ich nicht als sachkundiger Bürger mitmachen möchte. So wurde ich quasi mitverhaftet und sitze in Ausschusssitzungen und in den Fraktionssitzungen der Partei, ein sehr schwieriges Geschäft, aber heute wichtiger denn je, sich für die Demokratie einzusetzen.
Ute: Wir kommen mal zurück zur Fotografie. Ich fotografiere auch immer mal wieder analog. Ich habe dann das Gefühl, ich konzentriere mich viel mehr auf das Bild. Das hast du vorhin auch angedeutet, dass du dich fragst, ist das Bild es jetzt wert, dass ich mich so lange damit beschäftige. Was hast du für eine Meinung analog gegenüber digital?
Markus: Ich habe mal eine Geschichte gemacht auf 8x10 inch. Da kostet einmal draufdrücken 50 Euro. Das überlegt man sich dann schon. Das andere ist alleine die Herangehensweise: Stativ aufbauen, unter dem Dunkeltuch auf die Mattscheibe gucken, mit der Lupe scharf stellen, du brauchst einfach viel mehr Zeit. Diese Zeit bringt mehr Ruhe rein und Konzentration auf den Augenblick. Für mich war immer das Licht wichtig: Wann ist das Licht perfekt. Man denkt viel mehr nach. Man muss bewusster arbeiten. Ich fotografiere auch digital. Ich kann auch nicht sagen, dass die Qualität der ausschlaggebende Punkt ist. Wenn man sich eine PhaseOne leisten kann, braucht man nicht mehr mit Großformat anfangen. Aber man fotografiert ganz anders. Ich bin mit einer PhaseOne in den Wald gegangen, auch mit Stativ. Aber da ballerst du dann eben mal 20 Bilder durch. Für eine einzige analoge Aufnahme brauche ich gut und gerne eine Stunde.
Ute: Ich spanne jetzt mal einen Bogen: Du fotografierst Panoramafotos wegen des Detailreichtums. Dieser Wunsch nach Detailreichtum, hat das was damit zu tun, dass du ein sehr akribischer Mensch bist?
Markus: Mmhh, ja mit Sicherheit, also was das Fotografieren angeht, also das Ergebnis. Ich bin sonst glaube ich ein ziemlicher Chaot. Aber wenn was von mir an der Wand hängt, da muss ich meinen Namen drunter schreiben können.
Ute: Was wünschst du dir, was diese Ausstellung bewirkt?
Markus: Ich wünsche mir, dass die Leute durch die Ausstellung über die Fotografie nachdenken und in meinem Fall, dass die Leute sagen: „Ja, dieses Foto ist es uns wert, es in unser Wohnzimmer zu hängen“ und sie daran lange Freude haben. Das ist mein persönliches Ziel.
Ute: Ja, vielleicht auch das Ziel, dass vermittelt wird, dass man sich die Natur ein bisschen genauer anschaut und auch dann weiß die Zeichen zu lesen.
Markus: Ja, also wir hoffen, dass die Welt sich verbessert durch uns FotografInnen.