Dirk Jeske trifft Gerhard Westrich
Wir reden über: Iwish-WunschandiePolitik.de
Wir machen diese Interviews, um ein wenig mehr über den Menschen hinter der Kamera zu erfahren, als eine Webseite in der Regel preis gibt. Wie würdest Du deine fotografische - DNA beschreiben, was sind deine Wurzeln? Wenn ich Deine Webseite sehe, sehe ich nicht nur einen Fotografen, der sein Handwerk versteht - sondern auch einen Überzeugungstäter?
Fotografie hat für mich immer etwas mit Kommunikation zu tun, frei nach dem Motto: Lass Bilder sprechen. Mit Reden war ich nie besonders gut. Eher unvermittelt hat sich mir in der Fotografie zunächst die Möglichkeit offenbart, die Welt mit anderen Augen zu entdecken, Emotionen zu transportieren, bzw. zu erzeugen, dann Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge oder Menschen zu lenken, und später auch Geschichten zu erzählen. So bin ich etwa mit 16 zur Fotografie gekommen, zunächst als Hobbyfotograf, mit kleiner S/W-Dunkelkammer. Im Gegensatz zu meinem damaligen Beruf als Werkzeugmacher hat mir das sehr viel Befriedigung gegeben. Mit 24 habe ich dann beschlossen das Fotografieren zu meinem Beruf zu machen und habe eine Ausbildung zum Werbefotografen gemacht. Es folgte ein Studium in Kommunikationsdesign mit Hochschulwechsel an die HGB Leipzig, in den Fachbereich Fotografie, wo ich 1997 mit Diplom abschloss.
So ist es! Fotografie bedeutet Kommunikation. Kommunikation auf der Bildebene aber auch – und darauf will ich hinaus: Kommunikation mit den Personen, die Du als Motiv wahrnimmst. Sprechen wir über Deine Serie „Iwish – Wunsch an die Politik“. Deine Bilder sind nicht nur individuell, sondern zeigen auch eine Menge Empathie. Wie gehst Du hier vor? Dein Aufwand muss ja erheblich sein, wie viel Zeit investierst Du für ein Portrait?
So viel wie nötig. Ich versuche bereits vor dem Treffen zusammen mit den Personen eine Bildidee zu entwickeln. Das Bild entsteht zuerst im Kopf. Das ist wichtig. Auch wenn dann vor Ort vielleicht doch ganz spontan etwas anderes entsteht - es bereitet mich und auch die Personen vor und lässt mich entspannter arbeiten. Ich will, dass das Bild zu der Person passt, dass es etwas erzählt und dass es Interesse weckt.
In Moment sind 167 Portraits zur Serie auf der dazugehörigen Webseite gelistet. Du fotografierst hier Personen im persönlichen Umfeld mit der Auflage, vorab einem direkten Wunsch an die Politik zu formulieren. Interessierte können sich über die Webseite an Dich wenden. Dort beschreibst Du auch deine Motivation und Ziele zum Projekt. Trotzdem denke ich, muss es einen Auslöser gegeben haben, so ein Projekt startet man nicht einfach so?
Auslöser war ein Radio-Bericht, vor der Bundestagswahl 2017. Da ging es um den Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf, ein viel von Plattenbauten geprägter Randbezirk im Osten der Stadt, der immer eine überwiegend linke Wählerschaft verzeichnete. Mit dem Aufkommen der AfD schwenkte die Stimmung plötzlich zunehmend von Links nach Rechts. In den Medien wurde diese Tendenz immer mit „Protestwählern“ erklärt, was so viel heißt wie: Die wählen die AfD ja nicht weil sie die gut finden, sondern weil sie die Politik der renommierten Parteien schlecht finden und weil sie diesen so einen Denkzettel verpassen möchten. So, als wäre das voraussichtlich nur ein vorübergehendes Phänomen. Das fand ich nicht aussagekräftig und wollte von den Menschen dort gerne hören, womit sie konkret unzufrieden sind. Die Portraits sollten Aufmerksamkeit herstellen und den Menschen sowie ihren Sorgen und Problemen Gehör verschaffen - vor allem bei den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft. Das so entstandene Buch zur Ausstellung habe ich dann auch an viele Abgeordnete verschickt.
Du würdest gerne so viele Portraits machen, wie es Abgeordnete gibt. Der Bundestag hatte in der letzten Legislatur 630, das ist ein langer Weg!
Was wäre Dein Wunsch – nicht an die Politik, sondern in der Wahrnehmung Deines Projekts?
Mit der Webseite Iwish-WunschandiePolitik.de ist im Prinzip die perfekte Plattform zur Nutzbarkeit und Fortsetzung des Gesellschaftsportraits als Langzeitprojekt entstanden. Mehrere Hundert Portraits und Wünsche, das kann ja sehr leicht überfordern und ermüdend sein. Aber mittels der Filterfunktionen lassen sich dort sehr schnell und einfach Erkenntnisse gewinnen und Porträts nach eigenem Interesse anzeigen. So erhält man etwa Kenntnis über den Anteil und damit der Relevanz einzelner Themen und kann diese noch zusätzlich z.B. nach Bundesländern, Altersgruppen, Geschlecht usw. filtern. Es wäre sogar möglich zu verfolgen, wie sich über die Jahre Themenschwerpunkte verändern - oder gleich bleiben. Jedes weitere Portrait erhöht somit die Aussagekraft der Plattform. Damit das möglich ist bräuchte es zur Fortsetzung der Arbeit eine Finanzierung und Veröffentlichungen, damit die Wünsche Beachtung finden und damit sich weiterhin Interessenten zur Teilnahme melden.
Dafür drücke ich alle Daumen.