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Carsten Nichte

5 Fragen an Carsten Nichte Von Christophe Horne

Wenn du deine Fotografie mit einem Gericht (Essen) beschreiben müsstest, wie würdest du sie nennen?

Das Gegenteil von Schonkost. Vieles ist schwer verdaulich, wie zum Beispiel die Serie Echokammer, in der ich meine Depression thematisiere. Es finden sich aber auch Spuren von Ironie oder Humor in einigen Bildern. Ich hab grad echt keine Ahnung, wie ich das geschmacklich zuordnen soll. Vielleicht ist das beim Essen genau der undefinierbare Kitzel im Gaumen, über den man rätselt, nach was das nun verdammt noch mal schmeckt. Dieses „nicht einordnen können“ fänd ich auch für meine Fotografie spannend.

Was treibt dich in der Fotografie an/was inspiriert dich?

Angefangen hab ich mit der Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse und der Neu-Entdeckung einer mir fremd gewordenen Welt. Das hat sich irgendwann verselbstständigt. Ich versuche immer noch die Welt - und mich selbst - zu verstehen, erzähle aber auch gern einfach Geschichten in Bildern. Ich mag den Surrealismus, und den Minimalismus und überlege immer, was ich noch weglassen kann, um „alles“ zu sagen. Viele meiner Streetfotos bilden zwar scheinbar die „Realität“ ab - soweit das überhaupt möglich ist, sind aber eher metaphorisch zu lesen. Ich mag es, wenn man beim Betrachten eines Bildes angeregt wird, etwas um die Ecke zu denken.

Wie bist du auf deine Serie gekommen?

In der Streetfotografie-Serie Zwischenzeit beschäftige ich mich mit kleinen Alltagsgesten, mit den unbeachteten, beiläufigen Momenten im Leben. Aus diesen vielen kleinen Gesten setzt sich immerhin unser ganzes Leben zusammen. Wie alles, was zur Gewohnheit wird, verschwinden sie aus unserem Bewusstsein. Da schaue ich hin.

Da kann ich nicht dran vorbei sehen. Mir geht es aber nicht darum das zu dokumentieren. Ich nutze die Bühne des öffentlichen Raumes um meine ganz eigenen Geschichten zu erzählen.

Von welchen Fotograf:innen holst du deine Inspiration?

Ich hab ohne Vorbilder angefangen zu fotografieren. Später im Studium hab ich dann viele Fotografen kennengelernt: Arthur Tress, Anders Petersen, Bruce Gilden, Daidō Moriyama, Ken Schles, Keizo Kitajima, Robert Irwin, Saul Leiter, Ragnar Axelsson, … die mag ich besonders. Die Liste ist mittlerweile endlos. Ich schau mir möglichst viel unterschiedliche Fotografie an. Mich faszinieren die vielen individuellen, unterschiedlichen Sichtweisen in die Welt.

Welches Verhältnis hast du zu Licht? Welches zu Schatten?

Licht und Schatten sind essenziell. Schatten bringen das was im Licht liegt erst so richtig zur Geltung. Die Schatten sind rätselhaft, und sie sind Projektionsfläche: Wir assoziieren viel hinein was nicht da ist. Aber es gibt ja nicht die nur die Dualität von Schwarz Weiß, Gut Böse, Lüge, Wahrheit, Normal … Das Spannende findet für mich am Übergang statt. Da gibts viele Graustufen. Da wird es richtig komplex und anstrengend, auch gern mal überfordernd. Das ist für mich auch eine Metapher auf den aktuell vorherrschenden Zeitgeist in der Gesellschaft, die ja momentan vermehrt nach einfachen - sprich populistischen - und eher falschen Lösungen schielt und die vergangenen Zeiten romantisiert.

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